Liebe deine Mutter solange es noch geht, ist sie gestorben ist es zu spät.
Nein, nicht nur heute am Muttertag denke ich an meine Mutter, eigentlich fast jeden Tag. Am 8. November 2013 ist sie gestorben und ich bin so unendlich dankbar, dass ich noch drei Wochen davor die Möglichkeit hatte mich mit ihr aus zu sprechen. Es gab so Vieles das sich in all den Jahren angesammelt hatte. So Vieles das unausgesprochen zwischen uns stand. Ich bin die Älteste von fünf Kindern. Meine Mutter hat sich schon früh scheiden lassen, mein „Vater“ hat sie betrogen und belogen. In meiner Kindheit pendelten wir oft zwischen Deutschland und Österreich. (Mein Vater ist Deutscher). Nach der Scheidung meiner Eltern blieben wir in Österreich. Meine Mutter musste arbeiten gehen und ich musste auf meine Geschwister aufpassen. Natürlich mussten wir auf sehr viel verzichten, was mir aber nichts ausmachte, ich war, und bin auch heute noch, eher bescheiden. Ich stellte nie große Ansprüche, ich freute mich über kleine Dinge. Ich versuchte meine Mutter zu unterstützen, bei meinen Geschwistern oder im Haushalt. Im Gegensatz zu meiner Schwester, die war sehr fordernd, den ganzen Tag unterwegs und außer sie selbst, hat sie nicht viel anderes interessiert.
Ich war schon als Kind sehr besorgt um meine Mutter, ich verzichtete auf Taschengeld, oder ich sparte das Geld das ich bekam, um es Mama zu geben, damit sie Essen kaufen kann. Immer machte ich mir Sorgen um sie, und immer hatte ich das Gefühl, nicht das Kind meiner Mutter zu sein, immer hatte ich das Gefühl meine Schwester wird geliebt umsorgt und gehätschelt und ich, na ja ich war halt auch da…
Später, als wir erwachsen waren, meine Schwester wohnte neben meiner Mutter, so konnte sie kommen und gehen wann sie wollte, Mama war ja da, Haushalt, Kinder…Mama war ja da, sie kocht, wäscht, bügelt und schaut auf die Kinder. Wenn ich meine Mutter besucht habe war es immer schwierig eine Unterhaltung zu führen, weil immer jemand da war. Schauen was Mama gekocht hat, ob die Wäsche gebügelt ist und wehe wenn nicht…
Und dann wurde Mama schwer krank. Ich habe sie fast täglich im Krankenhaus besucht, mit Ärzten gesprochen, ihre Wäsche gewaschen. Nachts um 12 bin ich mit meinem Bruder ins Krankenhaus gefahren, auf die Intensivstation, weil die Ärzte nicht wussten ob sie die Nacht überleben wird. Ich nahm sie zu mir um sie zu pflegen, obwohl ich das eigentlich nie wollte…
Es war so ca. drei Wochen bevor sie gestorben ist. Das Gespräch dauerte vier Stunden, ich hab sie gefragt warum sie mir immer das Gefühl von Minderwertigkeit gegeben hat, warum meine Schwester mehr Wert war als ich und auch mein Bruder ( der ihr auch immer geholfen hat, wenn auch auf andere Art und Weise). Und Mama war entsetzt und ihre Worte waren:“ Ich habe das alles nicht gewusst, ich wusste nicht wie du dich fühlst, weil du nie darüber gesprochen hast. Ich habe dich insgeheim immer bewundert, weil du so stark warst und noch bist, weil du schon als Kind dein Leben selbst gemeistert hast, weil du nie um Hilfe gebeten hast, weil du nie um Rat gefragt hast, weil du nie bei mir geweint hast…deine Schwester war immer so hilflos, sie konnte alleine ihr Leben nicht auf die Reihe bekommen, du bist so anders, du hast immer alles im Griff, du hast gut erzogene Kinder die mit beiden Beinen im Leben stehen und sehr erfolgreich sind, du hast eine funktionierende Partnerschaft. Ich hatte oft ein schlechtes Gewissen dir gegenüber, weil ich weiß das ich dir zuviel auferlegt habe, aber ich war selbst so hilflos, ich wusste oft nicht wie es weiter gehen soll und du warst Diejenige die mir Kraft gegeben hat.
Der Tag an dem sie starb war ein Verabschieden ohne viele Worte…es war ja alles gesagt…
An jedem Muttertag, seit ich laufen konnte, bis zu dem Jahr in dem sie starb, bekam Mama von mir Vergiss mein nicht und seit dem ersten Frühling nach ihrem Tod wachsen sie in meinem Garten.
Mit meiner Schwester habe ich mich danach auch ausgesprochen. Sie starb drei Jahre nach Mama.